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Nachhaltigkeit in der Innenarchitektur: Das Cradle-to-Cradle-Prinzip

Geschrieben von nuucon friends | 17.08.23 09:43

60% aller Abfälle und 70% aller abgebauten Rohstoffe in Deutschland entstammen der Baubranche. Zahlen, die zum Nachdenken anregen. In der Architektur und Innenarchitektur entwickelt sich deswegen schon länger ein Trend hin zu mehr Nachhaltigkeit. In diesem Artikel wollen wir euch zeigen, was Nachhaltigkeit innerhalb der Innenarchitektur überhaupt bedeutet und wie sie im Cradle-to-Cradle-Prinzip konkret umgesetzt werden kann.

Wie können wir leben, ohne dass unsere heutigen Entscheidungen das Leben künftiger Generationen negativ beeinflussen? Das ist der Grundgedanke nachhaltiger Prinzipien. Nachhaltige Innenarchitektur denkt diesen Gedanken mit und geht damit über wichtige Aspekte wie Funktionalität, Qualität und Ästhetik von Möbeln und Innenausbauten hinaus.

 

Nachhaltige Innenarchitektur: Darauf kommt es an

Die Auswahl der Materialien

Nachhaltiges Interior Design setzt auf erneuerbare Naturmaterialien wie FSC-zertifiziertes Holz aus heimischen Wäldern, Ton, Kork, Bio-Baumwolle oder Leinen. So müssen weniger nicht-erneuerbare Rohstoffe verwendet werden, was den CO2-Ausstoß reduziert.

Naturmaterialien und recycelte Rohstoffe

Auch recycelte Rohstoffe werden innerhalb der nachhaltigen Innenarchitektur verwendet. Urselmann Interior setzt zum Beispiel auf recycelte PET-Flaschen für Teile seiner Innenausbauten. Andere Möglichkeiten sind recyceltes Glas oder Metall.

Qualität statt Quantität

Nachhaltige Möbel sollen langlebig sein und am besten von Generation zu Generation weitergegeben werden. So wird Müll vermieden und Ressourcen für neue Produkte geschont. Dabei geht es nicht nur um die Hochwertigkeit der Möbel, sondern auch um das Design: An zeitloser Ästhetik werden sich Verbraucher:innen weniger schnell sattsehen, als an Trends, die sich regelmäßig erneuern.

Abfallreduzierung und Recycling

Obwohl der Fokus auf Langlebigkeit liegt, wird sich auch bei nachhaltigen Möbeln Müll nicht komplett vermeiden lassen. Die Frage ist nur: Was können wir tun, um den Müll so gering wie möglich zu halten?

Entsorgung bereits mitdenken

Die beste Strategie: Komplettes Recycling der vorhandenen Produkte. Dieser Aspekt sollte deswegen bereits bei der Produktion mitgedacht werden. So ist es zum Beispiel sinnvoll, dass Innenausbauten verschraubt und nicht verleimt sind, um die einzelnen Materialien sauber voneinander trennen und wiederverwerten zu können.

In unserem coffee & chair (digitaler Live Talk mit Expert:innen) könnt ihr mehr zu diesem Thema erfahren. Tabea Dörries von Concular berichtet dort über ihre Arbeit, wie zum Beispiel den zirkulären Rückbau von bestehenden Bauten.

(Fast) frei von Schadstoffen

Bei der Produktion von Möbeln werden häufig Chemikalien eingesetzt, die als sogenannte flüchtige organische Verbindungen (VOC) verdampfen können. Sie stammen aus verwendeten Materialien, wie zum Beispiel Lösungsmitteln aus Klebstoffen oder verwendeten Lacken.

Diese können in die Luft gelangen und bei höherer Konzentration Atemwegs- und Augenreizungen auslösen oder auch andere Symptome verursachen. Allerdings sind diese Konsequenzen selten. Laut Umweltbundesamt sind die Konzentrationen von VOC in Möbeln und anderen Gegenständen sehr gering und gesundheitlich unbedenklich.

Wer dennoch sicher sein will, dass die eigenen Möbel wenig VOC-belastet sind, liegt bei nachhaltig produzierten Möbeln richtig: Sie sind aufgrund der verwendeten Materialien und wegen der Produktionsbedingungen meistens schadstoffärmer als konventionell produzierte Möbel.

Das Cradle-to-Cradle-Prinzip: Nachhaltigkeit neu gedacht

Cradle-to-Cradle bedeutet übersetzt “Von der Wiege zur Wiege.” Herkömmliche Produkte werden hingegen üblicherweise unter dem Motto “Cradle-to-Grave” produziert, also von der Wiege zum Grab, sprich Entsorgung am Ende ihrer Lebensdauer.

Ressourcen schonen durch Kreislaufwirtschaft

Cradle-to-Cradle ergänzt also den Aspekt der Nachhaltigkeit um eine konsequente Wiederverwendung vorhandener Ressourcen und Produkte. Es geht nicht nur darum, Abfälle zu minimieren und Ressourcen zu schonen, sondern es geht darum, die Produkte an ihrem Lebensende wieder dem Kreislauf zuzuführen, indem sie biologisch abbaubar sind oder wiederverwendet werden können.

Dadurch entscheidet sich Cradle-to-Cradle auch vom klassischen Recycling, bei dem zum Beispiel Fensterglas zu Flaschen verarbeitet wird, wodurch das hochwertige Material nicht in seiner eigentlichen Qualität genutzt wird und letztendlich zu einem späteren Zeitpunkt auf der Müllhalde landet.

Klimapositiv statt “nur” Klimaneutral

Damit denkt das Cradle-to-Cradle-Prinzip Nachhaltigkeit weiter: Statt den Fokus “nur” auf Klimaneutralität zu legen, versuchen Hersteller innerhalb des Cradle-To-Cradle-Prinzips klimapositiv zu wirtschaften, indem sie mehr CO2 kompensieren als sie verursachen.

Das Prinzip “Cradle-to-Cradle” wurde 2002 vom US-Chemiker William McDonough und dem deutschen Architekten Michael Braungart begründet. Seit 2005 gibt es eine Cradle-to-Cradle- Zertifizierung für Produkte, die nach diesem Prinzip hergestellt wurden.

 

Cradle-to-Cradle-Zertifizierung

Um die Zertifizierung zu erhalten, müssen folgende Punkte erfüllt werden:

 

1. Materialgesundheit

Cradle-to-Cradle zertifizierte Produkte sollen schadstofffrei und ökologisch unbedenklich sein.

2. Produktzirkularität

Nach ihrer Verwendung sollen Produkte und Materialien wiederverwendet werden, wodurch eine Kreislaufwirtschaft entsteht, die Müll komplett vermeidet.

3. Klimaschutz und CO2-Ausstoß

Fokus auf geringem Energieverbrauch und erneuerbaren Energien.

4. Wasser- und Bodenmanagement

Das beinhaltet den Schutz von Wasser als wichtiger Ressource. Durch die Produktion dürfen weder Wasser noch Böden verunreinigt werden.

5. Soziale Verantwortung

Die zertifizierten Hersteller setzen sich für Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit ein.

Die Produkte werden in jeder Kategorie geprüft und bewertet. Es gibt vier Stufen, die erreicht werden können: Bronze, Silber, Gold und Platin. Die niedrigste Stufe in einer der Kategorien gilt am Ende für das gesamte Produkt. Alle zwei Jahre muss die Zertifizierung neu beantragt werden.

 

Cradle-to-Cradle in der Innenarchitektur: So kann es umgesetzt werden

Auch innerhalb der Möbel-Produktion und der Innenarchitektur gibt es mittlerweile einige Cradle-to-Cradle-zertifizierte Hersteller und Dienstleister. Das Zertifikat ist dabei immer an ein bestimmtes Produkt gebunden.

Um Cradle to Cradle in der kompletten Innenarchitektur umzusetzen, müssen einige Dinge berücksichtigt werden:
  • Alle verwendeten Materialien müssen auf ihre Eignung überprüft werden
  • Bereits bei der Planung muss die Wiederverwendung der Materialien und Produkte mitgedacht werden
  • Auch soziale und gesellschaftliche Aspekte sollte mit einbezogen werden: Zum Beispiel bauen mit viel Tageslicht oder Pflanzen als natürliche Deko für die Förderung der Gesundheit

Cradle-to-Cradle in der Praxis: Der spanische Möbelhersteller Andreu World

Als erstes Unternehmen in seiner Branche weltweit sind alle Kollektionen von Andreu World seit 2022 Cradle-to-Cradle-zertifiziert. Insgesamt also fast 7000 Möbelstücke.

Die Marke gehört zu den High-End-Büroausstattern mit Kunden wie das Uber Headquarter in San Francisco oder diverse Amazon-Standorte.

Langer Atem auf dem Weg zur Nachhaltigkeit

Diese Entwicklung kam nach und nach: Bereits früh hat Andreu World sich darum bemüht, dass das verwendete Holz 100% FSC-zertifiziert ist. Bis 2025 plant das Unternehmen nun, den gesamten Herstellungsprozess in die Kreislaufwirtschaft einzugliedern.

Wenn du Andreu World in dein Einrichtungsprojekt integrieren möchtest, kontaktiere uns gerne unverbindlich.

Fazit

Viel Müll und extremer Ressourcenverbrauch - im Bereich der Innenarchitektur findet ein Umdenken statt, hin zu immer nachhaltigeren Materialien und Produkten.

Innerhalb dieses Spektrums klingt Cradle-to-Cradle vielleicht erstmal extrem, ist aber am Ende nichts anderes als die konsequente Weiterentwicklung des Nachhaltigkeits-Konzepts.

Einrichtungsprofis können ihren eigenen Beitrag leisten, indem sie mehr und mehr solcher Produkte in ihre Projekte integrieren.

Wenn du dich noch intensiver mit dem Thema auseinandersetzen möchtest, schau dir unseren Expert:innen-Talk “coffee & chair” dazu an. Mit dabei sind Sven Urselmann von Urselmann Interior, Tabea Dörries von Concular, die Co-Founderin der Sustina AG, Lena Junker und Jörg Ostendorf von Andreu World.